Heute sind Johanna und Julian ausgebildete Fachkräfte in DRK-Kitas. Ihr Weg führte sie in einen Beruf, der sie fordert, erfüllt und stolz macht. Ein Selbstläufer war dieser aber nicht: keine Ausbildungsvergütung, hohe Anforderungen, viele Fragen und Zweifel. „Nach der SPA-Ausbildung habe ich gedacht: Wäre es nicht leichter, sofort Geld zu verdienen?“, erinnert sich Julian. Auch Johanna haderte zwischendurch mit den Rahmenbedingungen. Doch beide haben sich bewusst entschieden, dranzubleiben. Weil sie gespürt haben, dass dieser Beruf genau der richtige für sie ist.
Der Weg zur Erzieherin, zum Erzieher
Die Ausbildung ist klar geregelt: Wer Erzieherin oder Erzieher werden möchte, startet zunächst mit der zweijährigen Ausbildung zur Sozialpädagogischen Assistenz (SPA). Daran schließt sich die zweijährige Erzieherausbildung an. Insgesamt also vier Jahre. Die Auszubildenden absolvieren vier Praxisphasen bei unterschiedlichen Einrichtungen: in Kitas, Jugendzentren oder Horten. Die Ausbildung läuft rein schulisch und wird nicht vergütet, es gibt aber in der Erzieherausbildung Möglichkeiten, sich finanziell unterstützen zu lassen. Etwa durch ein Stipendium oder das Meister-BAföG. Ohne diese Hilfen wäre es für viele junge Menschen kaum machbar, vier Jahre Ausbildung zu stemmen.
Johanna: „Das ist genau das was ich machen möchte.“
Bei Johanna war die Richtung früh klar. Mit 13 Jahren kümmerte sie sich als Jugendtrainerin im Reitverein um die Jüngeren, babysittete und half, wo sie gebraucht wurde. „Mir war klar: Ich möchte etwas Soziales machen. Und am liebsten mit Kindern.“
Nach dem Realschulabschluss startete sie ihre SPA-Ausbildung an einer Stader Privatschule. Kein Gehalt, dafür viel Lernstoff und Praxis. „Manchmal hat mich das belastet. Vor allem, weil ich wusste: Nur mit einem bestimmten Notendurchschnitt kann ich danach die Erzieherinnen-Ausbildung machen. Aufhören wollte ich aber auf keinen Fall.“
Sie schaffte es und bekam durch ein Stipendium des Landkreises die Chance, auf eigenen Beinen zu stehen. „Ich konnte mir eine eigene Wohnung nehmen. Das hat mir unglaublich viel Freiheit gegeben.“ Als Praxispartner wählte sie das DRK. „So viele Kitas, so viel Erfahrung, da wusste ich: Hier bin ich richtig.“
Julian: „Die Begeisterung der Kids, das ist es!“
Julian grinst, wenn er über seinen Weg erzählt: „Bei uns liegt das ein bisschen im Blut. Meine Mama ist auch Erzieherin.“ Schon in der Schule übernahm er AGs für Fünftklässler. „Die Begeisterung der Kinder, wenn du ihnen etwas zeigst wie zum Beispiel Experimente aus der MINT-Reihe. Das ist einfach großartig. Da wusste ich: Das ist mein Ding.“
Nach der 11. Klasse stand die Entscheidung: Abi oder Ausbildung? „Ich wollte ins Machen kommen.“ Er startete die SPA-Ausbildung in Bremervörde und schloss dort auch die Erzieher-Ausbildung an. Seine Praxiseinsätze absolvierte er in DRK-Kitas und anderen Einrichtungen.
Doch auch bei ihm war die Finanzierung ein Thema. „Allein Spritgeld und Material – das war viel. Mit Meister-BAföG vom Land Niedersachsen konnte ich unabhängig sein. Das war kompliziert zu beantragen, aber es hat mir die Ausbildung überhaupt erst ermöglicht. Man möchte ja nicht ewig Mama und Papa auf der Tasche liegen.“
Zwei Jahre voller Fragen und Antworten
Die Ausbildung zum Erzieher, die beide nach der SPA anschlossen, brachte nochmal zwei Jahre voller Unterricht, Praxis und Prüfungen. Johanna und Julian arbeiteten in Jugendzentren, Kitas und Horten mit, führten begleitend erste Elterngespräche, planten Projekte, lernten Verantwortung zu tragen.
Natürlich gab es Zweifel. „Manchmal habe ich gedacht: Wäre es nicht leichter, jetzt einfach Geld zu verdienen?“ erinnert sich Julian. „Oder studieren? Aber dann habe ich gemerkt: Nein. Ich will das hier.“
Männer in Kitas: „Eine absolute Bereicherung“
Julian hat noch eine andere Erfahrung gemacht: Er war einer von nur vier Männern in seinem Ausbildungsjahrgang mit insgesamt 30 Auszubildenden. „Anfangs fühlt man sich schon ein bisschen fremd. Aber am Ende ist klar: Du bist du. Und auch wenn es Vorurteile gibt, männliche Erzieher sind eine Bereicherung. Für die Kinder, für die Teams, für die ganze Einrichtung. Die Gesprächsthemen und die Interessen unterscheiden sich doch von denen der Kolleginnen.“
Vom Azubi zur Fachkraft: Mehr Verantwortung, mehr Gestaltung
Heute sind beide ausgelernte Fachkräfte in DRK-Kitas. Der Schritt vom Azubi zum Mitarbeitenden ist für sie riesig. „Plötzlich führst du Elterngespräche allein, setzt eigene Projekte um und triffst Entscheidungen selbstständig“, sagt Johanna. „Das ist viel Verantwortung, aber es fühlt sich großartig an, voll dazuzugehören.“
Freude im Alltag und auch mal Chaos
Was macht am meisten Freude? Johanna überlegt nicht lange:
„Wenn du die Bezugsperson für die Kinder bist. Wenn sie morgens sofort zu dir laufen, dir vom Wochenende erzählen oder einfach Trost suchen. Dieses Vertrauen ist das Schönste.“
Julian ergänzt: „Für mich ist es das, wenn Kinder etwas fürs Leben mitnehmen. Bei Projektwochen, wenn sie das Thema immer wieder aufgreifen dann weißt du: Da bleibt etwas hängen. Das begeistert mich unfassbar.“
Natürlich gibt es auch Grenzen. Johanna: „An Chaostagen, wenn alle Regeln vergessen werden, möchte man sich manchmal nur verkriechen.“ Julian: „Oder wenn nach einem langen Tag noch Elternabende mit endlosen Diskussionen anstehen, das kann sehr schlauchen.“ Aber beide sind sich einig: „Alles andere macht so viel Freude, dass diese Momente schnell in den Hintergrund rücken.“
Was man für den Beruf mitbringen sollte
Und was raten sie jungen Menschen, die überlegen, den Weg zur SPA oder zum Erzieher einzuschlagen?
„Teamfähigkeit ist das A und O. Wenn das Team nicht funktioniert, geht gar nichts“, sagt Johanna. „Natürlich ist ein kluger Kopf wichtig, aber noch wichtiger ist das Herz. Empathie, Einfühlungsvermögen, das macht den Unterschied.“
Julian nickt: „Flexibilität, Kommunikationsfähigkeit und ein gesundes Selbstbewusstsein helfen ungemein. Und: Sich selbst reflektieren und Kritik annehmen zu können, das bringt einen weiter.“
Wünsche für die Ausbildung
So zufrieden die beiden mit ihrer Entscheidung sind, wünschen sie sich Veränderungen im System: „Eine finanzielle Vergütung während der Ausbildung wäre dringend nötig. Ohne Unterstützung ist es für viele kaum machbar“, betont Johanna. Außerdem wünschen sie sich ein einheitliches Schulsystem im jeweiligen Bundesland: gleiche Voraussetzungen, gleiche Chancen.
Angekommen im Beruf
Johanna und Julian sind sich einig: Der Weg war manchmal steinig, aber es hat sich gelohnt. „Wir haben einen Beruf gewählt, der Sinn macht“, sagt Julian. „Und der uns jeden Tag zeigt, dass wir gebraucht werden“, ergänzt Johanna.
